Özcan Cetinkaya ist schon lange nicht mehr auf einem Fußballplatz gewesen. In seinem Alltag steht er im Boxring.
Jetzt war er zu Besuch in der Fußball-Gruppenliga. Wir haben zusammen mit dem Profiboxer beim Kasseler Duell der türkischen Vereine SV Türkgücü und FC Bosporus zugesehen, das der SVT 2:1 gewann. Auch für den Nordhessen mit türkischen Wurzeln ist dies ein besonderes Derby.
Vor dem Spiel
Beim Betreten des Nordstadtstadions kommen bei Cetinkaya Erinnerungen hoch. „Ich habe früher selber Fußball gespielt“, sagt der 39-Jährige. Bis zur C-Jugend trug er das Trikot des KSV Hessen, dann entschied er sich aber für das Boxen. Schon eine halbe Stunde vor dem Anpfiff des Nordstadtderbys ist auf der weitläufigen Anlage viel los. Auf den beiden Kunstrasenplätzen machen sich je zwei Teams von Türkgücü und Bosporus warm. Denn neben dem Gruppenliga-Derby findet auch das Spiel der Kreisliga A zwischen den zweiten Mannschaften statt.
Bevor die Partien beginnen, demonstrieren beide Vereine ihre Verbundenheit. Die zweiten Mannschaften machen ein gemeinsames Bild. Die beiden Kapitäne der Gruppenliga-Teams Yunus Emre Ulas und Usman Mobarak tragen Blumensträuße auf das Feld und übergeben sie vor dem Anpfiff. Das Zeichen der Freundschaft gefällt auch Cetinkaya.
Die erste Halbzeit
Nach dem Anpfiff ist erst Türkgücü etwas besser, später Bosporus. „Auch in der Gruppenliga geht es zur Sache“, sagt Cetinkaya und fügt hinzu: „Es ist schön, dass es so fair ist. Es gibt keine Beleidigungen und die Teamkollegen versuchen, sich zu beruhigen.“
Neben dem Spielfeld ist die Atmosphäre entspannt. Die knapp 400 Zuschauer unterhalten sich auf Türkisch aber auch auf Deutsch. „Es ist so ein bisschen eine Misch-Sprache“, sagt der Gudensberger. „Das mache ich auch so. Wenn ich mal etwas nicht auf Türkisch weiß, dann sage ich es auf Deutsch und andersherum.“
Auf dem Feld wird nur Deutsch gesprochen. Schließlich spielen bei den türkisch geprägten Vereinen nicht nur Türken. Für den Höhepunkt der ersten Hälfte sorgt Can Yilmaz. Mit seinem strammen Distanzschuss bringt er Bosporus in der 44. Minute mit 1:0 in Führung.
Die Halbzeitpause
In der Pause gehen viele Zuschauer zum Imbissstand. Auch Cetinkaya. „Es ist schon so ein bisschen wie in der Türkei hier“, sagt der 39-Jährige. Kein Wunder, schließlich sind fast alle Besucher Türken.
Die meisten Zuschauer trinken Cola und Fanta aus Dosen – nur wenige Bier. „Wenn überhaupt, dann trinken die meisten Türken nur abends Bier, nicht nachmittags“, erklärt Cetinkaya. Viele Anhänger nutzen die Pause, um eine Rindsbratwurst im Brötchen zu essen. „Türken essen meist kein Schweinefleisch, das ist Glaubenssache“, sagt der Boxer, der auf dem Sportplatz einige Bekannte trifft.
Die zweite Halbzeit
In der zweiten Halbzeit nimmt das Spiel an Fahrt auf. Die Partie wird härter, aber es spielt sich alles im fairen Rahmen ab. Die Spieler bleiben ruhig. Das Klischee, dass Akteure mit südländischen Wurzeln generell im Sport temperamentvoller sind, bestätigt sich nicht. Auch Cetinkaya widerspricht diesem Vorurteil. „Man kann das nicht so generell sagen. Es kommt immer auf jeden einzelnen Menschen an“, sagt er. Auf dem Feld hat Bosporus die besseren Chancen, aber Türkgücü dreht durch Tore von Yasin Bingül (54.) und Memduh Eryilmaz (85.) kurz vor Schluss die Partie. „Das ist wie beim Boxen, wenn du der Bessere bist, aber in der zwölften Runde K.o. gehst“, sagt Cetinkaya.
Nach dem Spiel
Nach der Partie ärgert sich Bosporus-Trainer Najeh Braham. „Wir waren präsenter und besser, aber wir hätten das zweite Tor machen müssen.“ Sein Gegenüber Hüseyin Üstün sagt: „Es war schon ein glücklicher Sieg. Toll fand ich die Atmosphäre von beiden Seiten. Es war freundschaftlich. Ich hoffe, so ist es auch im Rückspiel.“
Viel Spaß hatte Cetinkaya beim Ausflug zum Fußball. „Auch wenn es viele Fouls gab, war es sehr fair. Es hatten alle großen Respekt vor einander. Ein Unentschieden wäre mir aber noch lieber gewesen.“ Zurück
(*) Bild & Bericht HNA